Nina

Wie sind Sie auf den Schwarzkünstler Faust gestoßen?
 
Eigentlich ist der Schwarzkünstler Faust immer wieder auf mich gestoßen, Goethe, Heine, Thomas Mann, Volksbuch ... unaufhaltsam und sogar mit einer gewissen Penetranz. Und als ich das Faust-Theaterstück von Marlowe von einem Puppenspieler (Roman: Die Hexenkinder von Seulberg) auf dem Marktplatz von Homburg aufführen ließ, war ich nur noch besessen von der Frage: Wer war dieser Schwarzkünstler eigentlich wirklich? Was hat die Geschichtsschreibung aus ihm gemacht? Wie war die Zeit, als er mit Ochsenkarren oder Pferdekutsche durch die Lande zog? Als der Himmel noch in Schalen aufgeteilt war, die Scheiterhaufen brannten und die Magier auf der Suche nach dem Stein der Weisen waren. Als Segelschiffe aufbrachen, um neue Kontinente zu entdecken, die Bauern mit Mistgabeln den Aufstand wagten und Luther seine Thesen formulierte. Was hatte Faust damit zu tun? Je mehr ich las, recherchierte und Zeitgeschichte studierte, desto unaufhaltsamer tanzten unwirkliche Bilder durch meinen Kopf, nahmen Form an, bis ich nur beschreiben musste, was ich da sah, roch und fühlte. Es war wie ein Rausch, eine tiefe Meditation, die mich in frühere Zeiten führte.
 
Manchmal gibt es Themen, Situationen, Menschen, die sich in meiner Gedankenwelt so breit machen, dass sie mich erst wieder loslassen, wenn ich ihre Geschichte niederschreibe. Faust gehört dazu.
 
Mit welcher historischen Persönlichkeit wären Sie gerne wie Hannah ein paar Tage oder Wochen unterwegs?
 
Da ich für meine Romane dem "Volk aufs Maul" schaue, sind es eher die historischen "Un"persönlichkeiten, die noch nicht bis zur letzten Faser zerlegt wurden, mit denen ich mich gerne auf den Weg machen würde. Faszinierend wäre es, mit dem fahrenden Volk herumziehen, um Zeitgeschichte von unten zu erleben. Denn genau die wurde nicht archiviert und dokumentiert. Ich würde mich gerne mit starken Weibern in verrotteten Kaschemmen herumtreiben, mich mit listigen Mystikerinnen in die Geheimarchive des Vatikans schleichen, um dort in Archiven herum zu schnüffeln und vergilbte Dokumente zu wälzen. Welche Bücher standen auf dem Index? Welche Schriften wurden gefälscht? Vielleicht wäre dort auch noch der eine oder andere Giftmord mit Hostien dokumentiert, wären machtpolitische Intrigen niedergeschrieben, alte, verloren geglaubte Schriften verwahrt ... ja, das wäre was für mich. Andererseits: historisch faszinierende Persönlichkeiten gibt es in Hülle und Fülle. Gut, dass ich mich nicht wirklich entscheiden muss.
 
Erinnern Sie sich noch, in welcher Stimmung und unter welchen Umständen Sie das erste Mal das Wort "Ende" unter ein Manuskript gesetzt haben?
 
Nun, das muss gewesen sein, als ich mit einem erleichterten Aufseufzen und einem dicken Schlusspunkt den ersten Schulaufsatz zu Papier gebracht habe. Das erste Bühnenmanuskript lag mir ziemlich schwer im Magen, da ich den ganzen Wust, diesen Wortsalat mit unendlich viel pointierten Horizontalbezügen auch noch selber auswendig lernen musste. (Ich war oft ziemlich sauer über mich. Warum mussten mir diese Zungenbrecher, diese gemeingefährlichen hirnakrobatischen Assoziationsketten auch einfallen)
 
Bei Abgabe meines ersten Drehbuchmanuskripts war ich in zögerlicher, abwartender Stimmung. (Mal sehen, wie mich der Chefdramaturg auseinander pflückt). Aber nach Vollendung des ersten Buchmanuskripts hatte ich fast ein Gefühl der Schwerelosigkeit: Hach, doch geschafft!. Nach einem schweren Autounfall musste ich nämlich lange in einem Korsett leben, durfte nicht sitzen, nicht hocken. Und so entstand dieses Manuskript im Stehen am Bügelbrett, da ich dort am besten Manuskripte ablegen konnte. Ich schaute in den Spiegel, grinste mir zu und dachte: Mal sehen, was das Leben noch so alles mit dir vorhat!
 
Was hat Kabarett mit Büchern zu tun?
 
In Büchern kann man Kabaretttexte nachlesen.
 
Wie sähe der Steckbrief ihrer ganz persönlichen Muse aus?
 
Ich glaube, ein Muserich wäre mir zu anstrengend. Männliche Musen müssten immer gelobt werden, sodass ich keine Zeit mehr für's Schreiben hätte. Und eine Museuse? Die mir die Hausarbeit, den Steuerkram, den Ärger mit der kaputten Heizung abnehmen würde? Die mit feenlichter Hand morgens um sechs den schrillen Wecker ins Reich der ewigen Finsternis verbannt und mir mit engelsgleicher Stimme ins Ohr flüstert: "Hallo, du! Schlafe weiter! ICH bringe deinen Sprössling heute pünktlich zur Bahn ..."? Spätestens nach einer Woche würde ich in meinem Elfenbeinturm Amok laufen und wollte wieder ins Leben entlassen werden. Meine Muse sollte ein handfester Mensch sein, diskussionsfreudig und offen für alles, was das Leben so bietet. Mit dem ich die eine oder andere Sternschnuppen fangen kann, der mir ganz nah ist, auch wenn wir getrennt in fremde Welten eintauchen. Und der mit mir schweigt. Das Vermögen des gemeinsamen Schweigens wird nämlich mitunter gewaltig unterschätzt.